Alleingeborener Zwilling
Es kommt gar nicht so selten vor, dass im Mutterleib in den ersten Wochen der Schwangerschaft Zwillinge oder Mehrlinge angelegt waren. Mindestens jede 5. bis 10. Schwangerschaft beginnt so.
Für die kleinen Wesen ist es ein ozeanisches Glück, wenn sie nicht allein in der Gebärmutter sind, sondern da jemand ganz nah neben sich spüren. Es gibt Berührungen, man spürt den Herzschlag des anderen und fühlt sich geborgen. Doch oft überlebt nach der 12. Schwangerschaftswoche nur einer der angelegten Zwillinge oder Mehrlinge. Aus dem ozeanischem Glück wird ein Trauma. Der überlebende Zwilling wacht irgendwann auf und spürt einen weniger werdenden Herzschlag neben sich, dann hört das Herz ganz auf zu schlagen und aus dem Körper nebenan strömt nur noch Kälte. Dann kommt die Angst: „Jetzt sterbe ich auch.“ Natürlich kann der Fötus dieses Geschehen nicht verarbeiten und kommt schon traumatisiert auf die Welt. Meist weiß nicht einmal die Mutter, dass sie am Anfang der Schwangerschaft zwei Kinder unter ihrem Herzen getragen hatte. D.h. das Trauma ist niemandem bekannt und daher kann auch keine Hilfe angeboten werden.
Die sehr frühe Traumatisierung äußert sich in verschiedenen Symptomen und Verhaltensweisen:
- man sucht nach etwas, und man weiß nicht wonach;
- man hat viele wechselnde PartnerInnen, bei denen es sich doch am Ende nicht so anfühlt, wie damals im Mutterleib, daher sucht man weiter;
- dasselbe Muster kann es auch bei Orts- oder Jobwechseln geben;
- manche verlieren sich in der spirituellen Welt;
- oft interessiert alleingeborene Zwillinge Geld nicht so sehr, da sie mit dem Zwilling verbunden sind und sich auf dieser Welt nicht ganz zu Hause fühlen;
- viele haben einen Wunsch nach Partnerschaft, aber gleichzeitig eine große Verlustangst und lassen sich daher gar nicht auf eine Partnerschaft ein;
- in einer Partnerschaft will man den anderen vollständig lesen und verstehen und mit ihm verschmelzen;
- große Verlustängste in Beziehungen, auch in Bezug auf die eigenen Kinder.
- Es kann auch ein Muster geben, dass Beziehungen oder Hobbies am Anfang etwas Zuckersüßes haben, aber dann plötzlich zu Ende sind.
- Manche alleingeborene Zwillinge tragen gerne Rucksäcke oder Taschen mit sich herum.
- Sie kaufen Sachen doppelt.
- Abschiede fallen extrem schwer.
- Manche haben ein Verhaltensmuster entwickelt, in dem sie andere oder sogar die ganze Welt retten wollen.
- Neben dem "Helfersyndrom" kann es auch ein Muster geben, nichts annehmen zu können, aus Loyalität und evtl. Schuldgefühlen zum Zwilling, der auch die Mutterliebe nicht bekommen hat. Dann kann man mit einem Partner oder einer Partnerin gar nicht glücklich, da in Partnerschaften ein Ausgleich zwischen Geben und Nehmen notwendig ist.
So früh Traumatisierte können sich schlecht abgrenzen, denn sie tragen das Traumaintrojekt in sich, das wie ein Verbot, den eigenen Raum zu schützen, wirkt. Oft besteht noch eine Verbindung mit dem Zwilling, die die Abgrenzungsfähigkeit weiter schwächt. Folge können sein: Depressionen, Angst vor dem Alleinsein oder andere unerklärbare Ängste, ein großes Kontrollbedürfnis, Helfersyndrom, übertriebene Eifersucht, ein geringes Selbstwertgefühl, Neurodermitis.
Wie alles auf der Welt hat auch das frühe Verlusttrauma eine positive Seite: Menschen, die einen Zwilling verloren haben, haben eine gewisse Tiefe. Sie geben nicht so schnell auf, denn sie erinnern sich an das große Glück, das sie im Mutterleib erlebt haben. Alleingeborene Zwillinge können sich sehr gut in andere einfühlen. Sie nehmen Dinge wahr, die andere nicht wahrnehmen und haben meist eine hervorragende Intuition. Sie sind sehr hilfsbereit und aufmerksam. Oft haben sie heilerische Fähigkeiten. Sie sind meist kreativ und vielseitig. Sie stellen hohe Ansprüche an sich selbst, das macht sie zu verlässlichen PartnerInnen. Sie haben ein großes Durchhaltevermögen.
Verlorener Zwilling: Wie kann man die negativen Auswirkungen des frühen Zwillingsverlusts verarbeiten?
In einer Systemaufstellung der Systemischen Selbstintegration nach Dr. Langlotz kann man die Beziehung zum verlorenen Zwilling klären. Der frühe, unbewusste Verlust kommt ins Bewusstsein. Das ermöglicht es, den Zwilling zunächst zu begrüßen und dann auch zu verabschieden. Dadurch wird es möglich, durch den Schmerz hindurch zu gehen, der bis jetzt im Körper gespeichert war. Unter anderem testet man, wie man sich auf dem Platz des verlorenen Zwillings und grenzt sich von dieser Position ab. Man verweist den Zwilling aus dem eigenen Raum. Man entfernt das Verlusttrauma aus dem eigenen Raum und gibt dem Zwilling sein Schicksal zurück. Man verbindet sich mit dem eigenen Selbst, dem eigenen Wesenskern, den man zuvor möglicherweise mit dem Zwilling verwechselt hat. Man begrüßt das innere Kind und holt es aus der Vergangenheit zurück, denn es ist teilweise noch in dem Verlusttrauma von damals erstarrt. Bevor man den Zwilling verabschiedet, spürt man noch einmal seine Liebe. Man dankt dem Zwilling dafür, dass er einen in dieses Welt begleitet hat und entlässt ihn an den Ort, wo er seinen Frieden findet. Die Aufstellung wirkt nach einiger Zeit direkt auf das Verhaltensmuster: es enden die Suche, das Helfersyndrom, die Verlustängste, das Bedürfnis nach verschmelzender Nähe.
Alleingeborener Zwilling: Dazu gibt es verschiedene Videos auf dem Youtube-Kanal des Entwicklers der Methode der Systemischen Selbstintegration, Dr. med. Ero Langlotz, z.B. hier: https://www.youtube.com/watch?v=HnzE_HzAjwI&t=7s
Unterstützend können aus der Homöopathie vor allem Schmetterlingsmittel eingesetzt werden. Der Schmetterling hat das Thema Einsamkeit und Sterben, denn im Kokon ist die Raupe einsam und muss erst sterben, bevor ein schöner Schmetterling entstehen kann.
Fall aus meiner eigenen Praxis
Daniel (Name geändert) kommt mit dem Thema in meine Praxis, dass er nie so richtig im Leben angekommen ist, dass er sich als Kind schon nicht zugehörig gefühlt hat, dass er immer um Zugehörigkeit kämpfen musste.
Wir arbeiten mit der Methode der Systemischen Selbstintegration mit dem blockierenden Element. Auf dem blockierenden Element fühlt sich Daniel, als würde ihm der linke Arm abgeschnitten. Es ist dunkel, er sieht Blut. Auf meine Frage, wie alt er ist, sagt er, er wäre noch ganz klein, vermutlich im Mutterleib. Daniel berichtet, dass die Beziehung seiner Eltern schon am zerbrechen war, als er entstanden ist. Er sollte als „Kitt“ wirken, was aber nicht funktioniert hätte. Er könne sich auch eine versuchte Abtreibung vorstellen. Dazu gestellt werden die Mutter, das wahre und das falsche Selbst der Mutter sowie der Abtreibungsarzt. Das fühlt sich stimmig an. Wir suchen nach einem Namen für das Trauma. Es passen weder Abtreibungs- noch Ablehnungstrauma. Wegen der Assoziation, der linke Arm werde abgeschnitten, stellt Daniel einen vermuteten Zwilling dazu, der der Abtreibung zum Opfer fiel. Das fühlt sich stimmig. Daniel wird sehr traurig. Das Trauma wird als das Zwillingsverlusttrauma bezeichnet und differenziert.
Der Zwilling hat auch ein Trauma und ein eigenes Selbst. Als Daniel auf die Position des Zwillings geht, kommt ihm diese sehr vertraut vor. Bei den Sätzen: „Du bist Du, und ich bin ich. Du bist Deinen Weg gegangen und ich gehe meinen Weg. Und mein Weg ist ganz anders als Deiner.“ fühlt Daniel eine große Traurigkeit. Er konnte den Zwilling nicht kennenlernen, aber sowohl die tiefe Nähe im Uterus, als auch das Verlusttrauma sind noch in seinem Körper als Erinnerung gespeichert. Der Schmerz gehört zum Prozess des Abschieds dazu. Als der Zwilling in seinen Raum kommt, fängt Daniel an zu strahlen. Es fühlt sich sehr vertraut an, aber es ist doch eine fremde Energie und hindert ihn, mit seinem eigenen Selbst verbunden zu sein. Daniel spürt in die Figur hinein, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Es ist ein Mädchen und es taucht der Name Isabell auf. Der Zwilling wird aus dem eigenen Raum geschickt und es fühlt sich jetzt besser an für Daniel. Abgegrenzt wird auch das Trauma des verlorenen Zwillings. Anschließend wird das innere Kind aus der Position zwischen beiden Traumata geholt. Daniel hat beide Traumata so zur Grundlage seiner Person gemacht, dass sich das innere Kind wohl fühlte zwischen den beiden Traumata.
Der Platz zwischen dem wahren und dem falschen Selbst der Mutter bringt viel Wut zutage. Daniel kann seine Wut über die frühe Ablehnung durch das falsche Selbst der Mutter nun ausdrücken. Er verbindet sich mit seinem wahren Selbst und es fühlt sich sehr kraftvoll. Bisher hatte die Zwillingsschwester dazwischen gestanden. Im weiteren Verlauf der Aufstellung kann Daniel auch gegenüber dem Abtreibungsarzt seiner Wut über den Verlust der Schwester Ausdruck verleihen. Dadurch lösen sich viele Verspannungen im Körper, unter denen Daniel seit Jahren gelitten hatte und die er nicht adressieren konnte. Daniel spürt die Liebe des wahren Selbst von Isabell und auch der Mutter. Am Ende der Aufstellung kann er die Schwester verabschieden und ihren Weg ins Licht gehen lassen. In der Aufstellung haben sich viele Themen geklärt, die Daniel in seinem Leben immer wieder begegnet sind, z.B. dass er sich auf unerklärliche Weise von bestimmten Frauen magisch angezogen gefühlt hat, was aber immer wieder zu Problemen führte.
Auch ich bin ein alleingeborener Zwilling
Auch ich habe im Mutterleib einen Zwilling verloren. Darauf aufmerksam geworden bin ich, als ich in meiner Ausbildung als Trainerin der Systemischen Selbst-Integration nach Dr. Langlotz(R) bei einer Beziehungsklärung zu einem verlorenen Zwilling dabei sein durfte.
Beim Zuschauen zog es mir die Beine weg und ich schien ins Bodenlose zu stürzen. Dieses Gefühl kommt häufig bei vorgeburtlichen Traumata vor. Ich erinnerte mich an die Zeit, als Jugendliche, als ich eine intensive musikalische Ausbildung genoss. Ich wollte klassische Gitarre studieren und übte jeden Tag zwei Stunden. Das, was mich daran faszinierte, war dieses Schweben in anderen Welten. Seit dieser Zeit hatte sich das Gefühl verloren, nun war es aber wieder präsent. Schon vor einem Jahr hatte ich in meiner Ausbildung das Zwillingsthema angeschaut. Dennoch hatte ich immer noch unbewusste Verlustängste gegenüber meinen Kindern. In einer weiteren Aufstellung schaute ich mir das Thema „Zwillingsnähe“ an. Die Zwillingsnähe ist sehr süß und ozeanisch tief, aber immer mit dem Verlusttrauma verbunden und deshalb fühlt sie sich an wie eine vergiftete Praline. Nachdem wir die mit dem Verlusttrauma gekoppelte „Zwillingsnähe“ aus meinem Raum entfernt haben, sind die Verlustängste weg. In der Aufstellung konnte ich endlich den Schmerz, der durch den Verlust des Zwillings entstanden ist, durchleben und meinen Zwillingsbruder wirklich verabschieden. Statt mit meinem längst verstorbenen Zwilling, der die energetische Verbindung zu mir schon längst nicht mehr wollte, bin ich nun mit meinem wahren Selbst verbunden.
Stimme(n) nach einer Zwillingsaufstellung
Liebe Frau Ludwig,
danke nochmal für diese Aufstellung. In mir ist es seitdem ruhiger geworden. Was den Zwilling angeht, fehlt er mir nicht mehr, da ist nur Frieden.
Mir hat der Gedanke, dass man ja mit dem höheren Selbst trotzdem Verbindung haben kann, sehr geholfen.
A.S.